1. Ein lämmlein geht und trägt die schuld
Der welt und ihrer kinder:
Es geht und büßet in geduld
Die sünden aller sünder:
Es geht dahin, wird matt und krank,
Ergibt sich auf die würgebank,
Verzeiht sich aller freuden.
Es nimmet an schmach, hohn und spott,
Angst, wunden, striemen, kreuz und tod,
Und spricht: Ich will's gern leiden.
2. Das lämmlein ist der große freund
Und Heiland meiner seelen;
Denn den hat Gott zum sündenfeind
Und sühner wollen wählen.
Geh hin, mein kind! und nimm dich an
Der kinder, di ich ausgethan
Zu straf' und zornesruthen.
Die straf' ist schwer, der zorn ist groß,
Du kannst und sollst sie machen los
Durch sterben und durch bluten.
3. Ja, Vater, ja! von herzensgrund,
Leg' auf, ich will dir's tragen;
mein wollen hängt an deinem mund,
Mein wirken ist dein sagen.
O wunderlieb! o liebesmacht!
Du kannst, was nie kein mensch gedacht,
Gott seinen Sohn abzwingen.
O liebe, liebe! du bist stark,
Du streckest den in's grab uns sarg,
Für dem die felsen springen.
4. Du marterst ihn am kreuzesstamm
Mit nägeln und mit spießen;
Du schlachtest ih, als wie ein lamm,
Machst herz und adern fließen,
Das herze mit der seufzer kraft,
Die adern mit dem edlen saft
Des pupur rothen blutes.
O süßes lamm! was soll ich dir
Erweisen dafür, daß du mir
Erzeigest so viel gutes?
5. Mein' lebetage will ich dich
Aus meinem sinn nicht lassen;
Dich will ich stets, gleichwie du mich,
Mit liebesarmen fassen:
Du sollst sein meines herzens licht,
Und wenn mein herz in stücken bricht,
Sollst du mein herze bleiben.
Ich will mich dir, mein höchster ruhm!
Hiemit zu deinem eigenthum
Beständiglich verschrieben.
6. Ich will von deiner lieblichkeit
Bei nacht und tage singen,
Mich selbst auch dir nach möglichkeit
Zum freudenopfer bringen:
Mein bach des lebens soll sich dir
Und deinem namen für und für
In dankbarkeit ergießen,
Und was du mir zu gut gethan,
Das will ich stets, so viel ich kann,
In mein gedächtniß schließen.
7. Erweitre dich, mein herzenschrein!
Du sollt ein schatzhaus werden
Der schätze, die viel größer sein,
Als himmel, meer und erden.
Weg mit dem gold Arabie!
Weg kalmus, myrrhen, kasia!
Ich hab' ein bessres funden.
Mein größter schatz, Herr Jesu Christ!
Ist dieses, was geflossen ist
Aus deines leibes wunden.
8. Das soll und will ich mir zu nutz
Zu allen zeiten machen,
Im streiten soll es sein mein schutz,
In traurigkeit mein lachen,
In fröhlichkeit mein saitenspiel,
Und wenn mir nichts mehr schmecken will,
Soll mich dies mann speisen.
Im durst soll's sein mein wasserquell,
In einsamkeit mein sprachgesell
Zu haus und auch auf reisen.
9. Was schadet mir des todes gift?
Dein blut, das ist mein leben,
Wenn mich der Sonnen hitze trifft,
So kann mir's schatten geben.
Setzt mir des schwermuths schmerzen zu,
So find' ich bei dir meine ruh,
Als auf dem bett ein kranker;
Und wenn des kreuzes ungestüm
Mein schifflein treibet um und um,
So bist du denn mein anker.
10. Wenn endlich ich soll treten ein
In deines reiches freuden,
So soll die blut mein pupur sein,
Ich will mich darein kleiden.
Es soll sein meines hauptes kron,
In welcher ich will für den thron
Des höchsten Vaters gehen,
Und dir, dem er mich anvertraut,
Als eine wohlgeschmückte braut,
An deiner seiten stehen.
Text Information | |
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First Line: | Ein lämmlein geht und trägt die schuld |
Author: | Paul Gerhard (1676) |
Language: | German |
Publication Date: | 1862 |
Topic: | Passions-Lieder oder Lieder vom Leiden und Sterben Jesu Christi |
Notes: | Mel. An Wasserflüssen Babylon. 75. |