1 Ich gieng bisher auf einem pfade,
Der schmal und ungemächlich zwar,
Der aber doch gebahnt und g'rade,
Und voll von treuen menschen war;
Wo ich nicht flisttergold und tand,
Wohl aber stille freuden fand.
2 Ich sah ihn deutlich vor mir wandeln,
Den besten, frömsten Menschenfreund:
Sein reden, schweigen, thun und bandeln,
Wenn er sich freut und wenn er weint,
War weide mir; doch war sein tod,
Mir Gotteskraft in aller noth.
3 Daß, was sein mund je ausgesprochen,
Fond ich als Gottes wahrheit, licht:
Nie wurde mir sein wort gebrochen,
So wie Er mirs auch jetzt nie bricht:
Er nennt sich Gott; beweißt als Gott,
Sich thätig als den wahren Gott.
4 Doch fah' ich andre strassen offen
Zur rechten und zur linken hand;
Man rief mir laut; hier kannst du hoffen,
Hier find'st du, was du suchst das land
Der weisheit, hier, hier glück und ruh:
Komm, eile dieser strasse zu.
5 Ich fah' auf jener linken seite
Ein heer von eignen menchen stehn;
Sie nennen sich die weisen leute,
Die mehr als andre menschen sehn:
Mit dicht verbund's nen angesicht,
Stockblind rief jeder: hier ist licht!
6 Vernunft, vernunft! du brauchst nichts weiter,
Schri'nste: komm hier, hier ist vernunft;
Dis ist die sich're himmels-leiter,
Hier ist der wahren weisen zunft!
Icn blickte hin, doch fah ich nicht
Das so sehr hoch gepries'ne licht.
7 Die leiter schwebte hoch auf schlünden,
Wo weder seil noch fels sie hielt;
Ein selbst gedichte, das mit gründen,
Wie kinder mit der puppe spielt:
Mit gründen, denen leben fehlt
Und die mein Herr zur thorheit zählt.
8 Das leben dieser weisen leute
Schien glücklich nur, war's aber nicht:
Ich sahe scharf auf eine seite,
Wo tod, wo grab, und wo gericht
In krankheit ihnen näher trat,
Und dann wie finster ward ihr pfad!
9 Man kont' auf jeder stirne lesen:
Die leiter fäll't, auf der ich stand;
Ach! wär ich doch ein christ gewesen,
Der immer trost im tode fand!
Ach, Heiland! ich verkannte dich,
Und nun, ach nun, verkennst du mich!
10 Weh' ich hingengen auf das ende
Des christen, der im glauben bleibt,
So seh' cich wie ihn in die hände
Des besten freunds der glaube treibt,
Der, was sein ruhm im leben ist,
Jauchzt er im tod': ich bin ein christ!
Text Information | |
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First Line: | Ich gieng bisher einem phade |
Language: | German |
Publication Date: | 1826 |
Topic: | Von der Rechtfertigung und dem daher entstehenden Frieden; Justification and the Resulting Peace |
Notes: | Mel. Wer nur den lieben Gott. |