1 Seele, du must munter werden,
denn der Erden
blickt hervor ein neuer Tag.
Komm dem Schöpfer dieser Strahlen
zu bezahlen,
was dein schwacher Trieb vermag.
2 Doch den grossen Gott dort oben
recht zu loben
wollen nicht nur Lippen seyn:
Nein! es hat sein reines Wesen
auserlesen
Herzen ohne falschen Schein.
3 Deine Pflicht die kanst du lernen
von der Sternen,
deren Gold der Sonne weicht.
So laß auch von Gott zerrinnen,
was den Sinnen
hier im Finstern schöne deucht.
4 Wer ihn ehret wird mit Füssen
trete müssen
Lust und Reichthum dieser Welt.
Wer ihm irrdisches Ergetzen
gleich will schätzen,
der thut was ihm mißgefällt.
5 Schau, wie das, was Athem ziehet,
sich bemühet
um der Sonnen holdes Licht?
wie sich, was nur Wachsthum spüret,
freudig rühret,
wenn ihr Glanz die Schatten bricht.
6 So laß dich auch fertig finden,
anzuzünden
deinen Weihrauch, weil die Nacht
da dich Gott für Unglücks-Stürmen
wollen schirmen,
ist so glücklich hingebracht.
7 Bitte, daß er dir Gedeyen
mag verleihen,
wenn du auf was Gutes zielst;
aber daß er dich mag stöhren,
und bekehren,
wenn du böse Regung fühlst.
8 Es wird nichts so klein gesponnen,
daß der Sonnen
endlich unverborgen bleibt:
Gottes Auge sieht viel heller,
und noch schneller,
was ein sterblicher betreibt.
9 Denk, daß er auf deinen Weben
ist zugegen,
daß er allen Sünden-Wust,
ja die Schmach verborgner Flecken,
kan entdecken
und errathen, was du thust.
10 Wir sind an den Lauf der Stunden
vest gebunden,
der entführt was eitel heißt,
und der dein Gefäß, o Seele,
nach der Höle
eines Sterb-Gewölbes reißt.
11 Drum so seufze, daß mein Scheiden
nicht ein Leiden
sondern sanftes schlafen sey,
und daß ich mit Lust und Wonne
seh' die Sonne,
wenn des Todes Nacht vorbey.
12 Treib indessen Gotttes Blicke
nicht zurücke:
Wer sich seiner Huld bequemt,
den wird schon ein frohes Glänzen
bir bekränzen,
das der Sonnen Gluth beschämt.
13 Kränkt dich etwas diesen Morgen,
laß ihn sorgen,
der es wie die Sonne macht,
welche pflegt der Berge Spitzen
zu erhitzen,
und auch in die Thäler lacht.
14 Um das was er dir verlieben,
wird er ziehen
eine Burg, die Flammen streut,
du wirst zwischen Legionen
Engel wohnen,
die der Satan selber scheut.
Source: Die kleine Harfe: gestimmet von unterschiedlichen lieblichen liedern oder lob-gesängen #56