1 O Liebe, über alle Liebe,
recht nach dem Leben abgemalt!
Was gleichet einem solchen Triebe,
der Blut aus Liebe für mich zahlt?
Die Liebe büßt das Leben ein;
kann eine Liebe größer sein?
2 Der Hirte stirbst für die Schaafe;
wie lieb muß ih, die Heerde sein!
Des Vaters Schoßkind lößt die Strafe
für die, so Feinde waren, ein.
Selbst der Geliebte wird verhaßt,
das er nur uns in liebe faßt.
3 Es redt ein Mund aus jeder Wunde,
der nur von Liebe reden kann;
Die Liebe quillt recht aus dem Gründe,
seht nur die offne Seite an.
Das ist des Kreuzes überschrift:
Seht, was die Liebe hier gestift't.
4 O schönes Vorbild meiner Liebe!
Ich müßte Eis and Eisen sein,
Wenn ich hier kalt und lieblos bliebe
bei deiner großen Liebes-pein.
Die Liebesstapfen sind so schön;
wer wollte nicht darinnen gehn!
5 Mit Liebe kommst du mir entgegen,
Mit Gegenliebe küß ich dich.
Ich will mich an dein Herze legen.
Die Liebe schließet mich an dich.
Mit Blut verschreibest du dich mir,
ich leb und streb in Liebe dir.
6 Geliebter! deiner Liebe wegen,
soll Weltlust mir verhasset sein.
Kommst du zu mir mit Liebesschlägen,
was ist mein Kreuz für deine Pein?
Die Liebe duldet alle Noth,
die Liebe scheuet nicht den Tod.
7 O! könnt ich gar zu Liebe werden,
ich würde dir noch lieber sein.
Doch nimm vorlieb mit mir auf Erden,
im Himmel bring ich Alles ein,
wo Lieben über Lieben ist
und du der Aller liebste bist.
Source: Evang.-Lutherisches Gesangbuch #166