1 O Gottes Lamm, mein element
Ist einzig dien erbarmen:
Dein herz das zu mir wallt und brennt,
Mit offnen liebes-armen;
Dein blut, wie es vom creutze stoß,
Und alle welt mit heil begoß.
2 Ich weiß von keinem andern trost,
Ich müßt in sünden sterben.
Der feind ist wider mich erbost.
Die welt will mich verderben.
Mein herz ist unrein, blind und tod.
O tiefes elend! grosse noth!
3 Die egene gerechtigkeit,
Das thun der eignen kräfte,
Macht mir nur schand und herzeleid,
Verzehrt die lebenssäfte.
O nein, es ist kein andrer rath,
Als der, den dein erbarmen hat.
4 Wie wohl, ach Gott! wie wohl ist mir,
Wenn ich darein versinke!
O lebens-quell, Wenn ich aus dir
Blut der versöhnung trinke!
Wenn dein erbarmen mich bedeckt,
Und wenn mein herz vergebung schmeckt!
5 Da lebt mein geist, ist froh und satt,
Hat alles, was ihm fehlet.
Bald aber wird er kalt und matt,
Wenn er sich selber quälet,
Wenn dein erbarmen ihm entgeht,
Wenn er auf fremdem grunde steht.
6 Drum bleibe du mein element,
Du selbst und dein erbarmen.
Und wie mein glaube dich erkennt,
So kenne du mich armen.
Ich leb in deiner gnad allein.
Ich will in dir erfunden seyn.
7 Das element der armen welt,
Stolz, getz und fleisches-lüste,
Und was sie sonst für wichtig hält:
Das ist mir dürr und wüste,
Das ist mir galle, gift und quaal,
Dein heil ergetzt mich allemal.
8 Mein erster odem, den ich zieh,
Wenn ich vom schlaf erwache,
Ist dein erbarmen, deine müh,
Die ich dir täglich mache,
Und di du schon auf mich gewandt,
Da deine lieb am creutz gebrannt.
9 Wenn ich von meinem bett aufsteh,
So tret ich ins erbarmen.
Und wenn ich bald gen himmel seh,
Mein himmel ist erbarmen!
Und wenn ich knie, fällt mein sinn,
O Gott, in dein erbarmen hin.
10 Ich wasche mich Immanuel,
Im blutigen erbarmen.
In dir erschein ich rein und hell,
Mein kleid ist dein erbarmen.
Ich eß und trinke diese kost,
Erbarmen ist mein brod und most.
11 Ich sitz und geh, und was ich thu,
So thu ichs im erbarmen.
Mein sitz, mein grund und meine ruh,
Mein ziel ist dein erbarmen;
Mein sichrer weg, mein licht und kraft,
Mein wohnhaus in der pilgrimschaft.
12 Leg ich des abends mich zur ruh,
Mein bett ist dein erbarmen.
Es langt auf allen seiten zu.
Es wärmt mich dein erbarmen!
In deise decke hüll' ich mich;
Wie sanft, wie süsse schläft es sich!
13 Erwach ich in der stillen nacht,
So lieg ich im erbarmen.
Wenn mich die unruh schlaftes macht,
So wiegt mich dein erbarmen.
Erschreckt mich traum und finsterniß,
Erbarmen leichtet mir gewiß.
14 Ja, bis ins grab und vors gericht
Begleitet mich erbarmen.
Von tod und hölle weiß ich nicht
Mein leben ist erbarmen.
Hir in beschließ ich auch den lauf,
Und fahre sterbend zu dir auf.
15 Und wenn ich vor dem throne bin,
Dein anschaun zu geniessen:
So raißt mich dein erbarmen hin,
Im loben zu zerfliessen.
Worinn allhier mein herz entbrennt,
Das bleibt mein ew'ges element.
Source: Erbauliche Lieder-Sammlung: zum gottestdienstlichen Gebrauch in den Vereinigten Evangelische-Lutherischen Gemeinen in Pennsylvanien und den benachbarten Staaten (Die Achte verm. ... Aufl.) #464