1 Hier stand ein mensch! hier fiel er nieder!
Ihr faulen schläfer, wachet heut!
Ein schrecken fährt durch eure glieder,
Das schrecken einer ewigkeit.
Gott steht auf einer mitternacht
Und seine donner rufen: wahct!
2 Euch predigt diese gähe leiche
Mit jedem wilderverstörten zug:
Ich bin es, den mit einem streiche
Der starke Gott zur erden schlug!
Drum wache sünder! wache doch!
Denn seine donner rollen noch.
3 Er stand und schaut! er ist gefallen!
Kaum kennt man seins stätte mehr,
Und tief geholte seufzer wallen,
Wie wolken um die leiche her.
Gott, welch ein fall! und überall
Spricht das erstaunen: welch ein fall.
4 Gesund und todt! und todt in sünden!
Vom zorne Gottes hingeraft!
So schnell, wie blitze sich entzünden,
Und plötzlich, wie die rache straft.
Ein sturz vom gipfel dieser zeit
In tiefen einer ewigkeit!
5 O Gott, wer kan dis wort ertragen!
Gesund und todt! gesund und todt!
Laut, wie die wetter niederschlagen,
Verwüstend, wie der sturmwind droht!
Erst s¨¨ndigen! dann todt! o schwerdt,
Das zweysach schneidend mich durchfährt!
6 Wie furchtbar brauset das verderben,
Gleich wogen auf dem meere hin!
So kan denn auch ein sünder sterben,
Eh' er dran denkt in seinem sinn?
So ist denn, Richter, aus der zeit
Nur Ein schritt in die ewigkeit?
7 Erzittre heute, o verbrecher!
Vielleicht trift bald sein donner dich!
Nicht jeder sünder ist ein schächer,
Und seufzet noch: gedenk an mich!
Denn ach! es stirbt nicht jederman
Gemächlich, daß er beten kan.
8 Gott braucht, den sünder hinzustreckne,
Nicht immer krankheit, schwerdt und pest,
Nicht fels und berge, die ihn decken,
Nicht einen sturm, der zürnend bläst,
Nicht donner, nicht der blitze glut;
Er winkt nur einem tropfen blut.
9 Drum höre, Gott, den sünder klagen!
Schau wie ein dach von thränen fließt!
Will deine hand ihn niederschlagen,
Eh' er noch reif zum tode ist?
Zwar reif zum tod! doch zum gericht,
Zur ewigkeit ist er es nicht.
10 Wir fallen nieder, und wir beten:
Gott! Fater! Sch¨pfer1 zürne nicht!
Wie? einen wurm den wilst du tödten,
der unter dir im staube kriecht?
Verschone doch! denn würmer seyn
Für deine rache viel zu klein.
11 Doch nein! es sind ja diese würmer
In deines himmels augen groß;
Weil er! dein Sohn! der Höllenstürmer!
Vor sie sein therues blut vergoß.
Sein lut das durch den himmel schreyt:
Barmherzigkeit! barmherzigkeit!
12 Indessen senket euch, ihr blicke,
In diese todten gruft hinein.
Vielleicht im nächsten augenblicke
Kan ich, wie er, das todes seyn!
Drum, jesu, schenke mir noch heut
Die tugend kluger wachsamkeit.
First Line: | Hier stand ein Mensch, hier fiel er nieder |
Author: | Christian F. D. Schubart |
Language: | German |
Copyright: | Public Domain |