1 Die Tugend wird durchs Kreuz geübet,
denn ohne das kann sie nicht sein;
wenn sie nicht oftmals wird betrübet,
so merkt man gar nicht ihren Schein.
Sie müß im Kreuz die Stärke zeigen,
die sie verborgen in sich hat,
daß sie den könne unterbeugen,
der ihr nachstellet früh und spat.
2 Wer sollte ohne Kampf wohl siegen?
Die Tapferkeit kann nicht bestehn,
wenn man nicht will zu Felde liegen,
und einen erusten Streit eingehn.
Der Feind ist, wenn Gott Draft verliehen,
flugs da, der sich ihr widersetzt;
drum soll man ja den Schlaf recht fliehen,
wenn Satans Heer die Schwerter wetzt.
3 Zwar drückt den Palmbaum wohl zur Erden
gar oft ein zentnerschwer Gewicht,
der doch nicht unterdrückt
kann werden er siehst wieder aufgericht't.
So wird die Tugend auch gedrücket,
das sie fast ganz darnieder liegt,
bald aber wird die Stärk erblicket,
wenn sie mit Macht den Feind besiegt.
4 Sie kann zu hohen Stufen kommen,
wenn sie im Streit geübet ist;
Kreuz ist der Weg, den alle
Frommer erwählen; wer sich selbst vergißt
und eilet zu dein Ewigkeiten,
wird durch des Vaters Hand geführt,
der ihn durchs Kreuz sucht zu bereiten,
eh er ihn mit der Krone ziert.
5 Denn Gott hat uns nicht führen wollen
durch einen Weg voll Zärtlichkeit,
worauf wir emsig laufen sollen
in der so kurzen Pilgrimszeit
zum Leben, das da ewig währet,
wo Streit und Kampf entfernet ist,
und wo man recht die Ruh erfähret
in Gott, der alles Leid versüßt.
6 Darum, wen Gott zum Kind erkläret,
der hat am Satan einen Feind,
mit dem sein Kampf stets wird vermehret,
weil er's gewiß mit Ernste meint,
er bläst ihm durch sein giftges Hauchen
oft Lüste mancher Laster ein,
und weiß gar große List zu brauchen
daß er mög Ueberwinder sein.
7 Dein wie Gott aufwärts führt zum leben,
so führt der Feind zum Untergang.
Er sucht mit Grimm zu widerstreben
und macht dem armen Menschen bang,
er will den Muth danieder schlagen,
drum wagt er Alles, was er kann;
und lässet nicht bald ab zu plagen,
zu fällen ihn auf rechter Bahn.
8 Doch wie er viel geschlagen nieder,
so wird er auch gar oft besiegt,
wenn man ermannt die matten Glieder,
in Gott und tapfer ihn bekriegt.
Der Glaube muß ihm widerstehen,
und hat in sich die Gottesmacht,
der Satan muß vor ihm bald gehen,
wenn man sich wachend nimmt in Acht.
9 O Jesu, der du mir erwoben
Heil, Kraft und Leben durch den Tod,
da du am Kreuzesstamm gestorben,
nach ausgestandner vieler Noth
komm mir zu Hülf und schaffe Leben
in mir und stürze meine Feind,
der über mich sich will erheben,
wenn mir dein Licht nicht helle scheint.
10 Flöß immer in mich neue Kräfte,
damit ich hang an diner Brust,
und tödt die sündlichen Geschäfte,
dein Friede bleib mir nur bewußt.
Stärk du, meine Held, mir selbst den Glauben
und zieh mein Aug auf dich nur hin,
so wird mich wohl der Feind nicht rauben,
weil du in mir, ich in dir bin.